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Ein Kleinod der Renaissance in der Haller Au

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Der Tag des Denkmals, der in Österreich  alle Jahre immer am letzten Septemberwoche in stattfindet,  hatte auch heuer wieder interessante Highlights zu bieten. Das Thema war dieses Mal Gemeinsam unterwegs. Und es ging um Archäologie, Straßen und alte Pilgerwege. In Tirol ist da ja einiges davon vorhanden. So konnten an diesem Tage einige archäologische Ausgrabungen besichtigt werden, wie auch Klöster – wie etwa das berühmte Stift Stams, das heurigen Jahres fertig restauriert worden ist, oder alte Festungsbauten wie etwa die Festung Nauders, die im 19. Jahrhundert errichtet worden ist.

In der Nähe von Innsbruck war es die von außen eher unscheinbare Loretokirche , gelegen an der Haller Straße, auf Thaurer Gemeindegebiet, und eingeklemmt zwischen Straße und Eisenbahn, so für den Fußgänger inzwischen eher schwer erreichbar geworden, obwohl sie in der Zeit ihrer Errichtung im 16. Jahrhundert Ziel einer Wallfahrt war, woran heute noch die Bildstöcke entlang der Innsbrucker Straße zeugen, die erst im vergangenen 20.  Jahrhundert von bekannten Tiroler Künstlern mit Bildern  ausgeschmückt worden sind.

Die Kirche geht auf eine Gründung des letzten Tiroler Habsburgerherrschers Ferdinand II., der die berühmte  Ambraser Kunst und Wunderkammer begründete, zurück und wurde 1589 erbaut. Damals war diese Gegend ja eine Aulandschaft, die sogenannte Haller Au,  und bot sich so für lange Wanderungen und Wallfahrten vorzüglich an. So waren die Abstände der einzelnen Bildstöcke genau nach der Dauer eines Rosenkranzgebetes – Gesetze genannt – abgestimmt.  Heute kann man die Bildstöcke nicht mal mehr in Ruhe anschauen, da sie direkt an der stark befahrenen Bundesstraße stehen. Die Kirche selbst ist verschlossen und nur zu den einmal im Monat stattfindenden Gottesdiensten geöffnet. Und eben am Tag des Denkmals am vergangenen Sonntag konnte sie besichtigt werden, wozu es auch Führungen von fachkundigen Führerinnen gab.

Der Renaissancebau überrascht einmal durch das Fehlen eines Fensters, was  mich schon vor Jahren auf die Kirche neugierig gemacht hat und auf die Legende der Loretowallfahrt zurückgeht. Diese besteht darin, dass man in der Zeit der Kreuzfahrer das Geburtshaus Marias in Nazareth aus den damals vom Islam eroberten Gebieten fortbringen und in das damals ja bereits christianisierten Europa transferieren wollte. Die Sage erzählt nun davon, dass Engel diesen Transport nach Italien –in den Ort Namens Loreto in den italienischen Marken – bewerkstelligt haben sollten,  in der profaneren Variante, die uns heute näherliegt, hatten die Kreuzfahrer das wohl selbst erledigt, wobei das sicher ein sicher schweres und schwieriges Unterfangen war, die vielen Steine mit Pferden oder Eseln und dann per Schiff von Nazareth nach Italien zu bringen. Und da die Geburtsgrotte eben kein Fenster hatte, so durften also auch alle Kirchen und Kapellen, die dann in weiterer Folge an dieses Ereignis erinnern sollten, kein solches haben. Lediglich eine Öffnung nach draußen war erlaubt, die  den Eintritt des Engels der Verkündigung symbolisieren sollte.

Der Altar der Kirche ist ein barocker Altar, der ursprünglich in der Kirche des Haller Damenstiftes stand, ehe er nach dessen Auflösung unter Josef II. nach Judenstein kam, und nach der Umgestaltung dieser Kirche schließlich in der Loretokirche seinen Platz gefunden hat. Wobei die Figuren mittlerweile im Tiroler Landesmuseum aufbewahrt werden. Der leere Altar  dient jetzt also nur mehr zur Beherbergung des  ursprünglichen Gnadenbildes, das in der Loretokirche verehrt wurde und von manchen wahrscheinlich auch noch wird.  Einen etwas eigenartigen und  ein wenig mystischen  Eindruck vermittelt der fensterlose Raum auch der heutigen Besucherin und Besucher, wozu auch noch die Backsteine vortäuschende rote Färbelung der Wände und das blaugemalte mit Sternen versehene Tonnengewölbe  etwas beitragen. Immerhin ist der Bau einer der wenigen Renaissancekirchen oder Kapellen in Tirol.

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Das Gasthaus nebenan, das seit einiger Zeit eine griechische Familie betreibt, und das ursprünglich das sogenannte Kaplaneihaus war, wurde 1723 nach Plänen des Innsbrucker Hofbaumeisters Georg Anton Gumpp errichtet.

Die den Weg zur Kirche säumenden Bildstöcke tragen  Bilder zum Thema des Kreuzweges und stammen von zeitgenössischen Tiroler Künstlern wie etwa Max Weiler, Walter  Honeder, Helmut Rehm und  aus der neuesten Zeit von Christian Sanders aus den neunziger Jahren  geben so einen guten Überblick über die christliche Ikonographie der Moderne in Tirol.

Beim Begehen der Kirche ist mir die Idee gekommen, man könnte die Kirche, genauso wie die ursprüngliche Grotte aus Nazareth in eine andere Gegend transportieren, irgendwo auf den Thaurer Feldern, wo sie besser zugänglicher wäre, und man auch die Bildstöcke besser betrachten könnte.  Ironischerweise wurde sogar an eben jenem besagten Tag des Denkmals, wo man zur Besichtigung des ganzen Komplexes der Kirche und der Bildsäulen einlud mit einem Hinweisschild „Begehen auf eigene Gefahr“ gewarnt und vorsorglich die Bildstöcke alle fotografiert und diese Fotos dann neben der Kirche ausgestellt. Man könnte natürlich auch darauf hoffen, dass eines fernen Tages vielleicht mal weniger Autos die Bundesstraße befahren werden, und uns so wieder unsere Aufmerksamkeit  auf Schönes aus unserer Vergangenheit in unserer Gegenwart ermöglichen.

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Eines der Kreuzwegbilder von Christian Sanders. Foto: Wikipedia

Helmut Schiestl

One Comment

  1. Ja, danke für die einfühlsamen Worte und den Hinweis auf das an den Rand gedrängte Kirchlein – irgendwie haben die damals schon geahnt, dass hier eine verkehrsreiche Strasse entstehen wird – so erkläre ich mir die Fensterlosigkeit – ist genauso logisch, wie die Legende zur Errichtung der ursprünglichen Lorettokirche, oder?…..Günter Lierschof

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