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Bettelverbot als Symptombekämpfung

Bettler

Sehr geehrter Herr Steinlechner,

ich habe Ihr Editorial im Magazin mit dem Titel Betteln als letzter Ausweg oder betteln als Job schon vor längerer Zeit mit Interesse gelesen und möchte darauf antworten. Radioreportage auf Ö1 zum Thema Betteln Diese Woche habe ich auf Ö1 eine spannende Reportage zum Thema Betteln (am Beispiel der Stadt Salzburg) gehört – diese würde ich Ihnen sehr ans Herz legen und dafür appellieren, das Thema ein wenig differenzierter zu sehen:  Meinungsmache für Bettelverbot?

Dass Sie Greenpeace-Aktivisten in einem Atemzug mit Bettlern im Editorial nennen, kann ich übrigens nicht verstehen. Das eine ist ein Geschäft (Fundraising), das andere ist Armutsmigration. Hier gibt es keine einfache, schnelle Lösung wie z.B. ein Bettelverbot.

Ein Bettelverbot wäre meiner Meinung nach eine bloße Symptombekämpfung. Aggressives Betteln ist (meines Wissens) ohnehin nicht erlaubt. Auch die Schlagwörter „Menschenhandel“ sowie „Bettelmafia“ (die Sie dankenswerterweise in Ihrem Editorial nicht verwenden) sind schwer haltbar, wenn man genauer hinschaut. Wir müssen wohl aushalten, dass uns vermehrt Menschen um Geld anbetteln.

Beneiden tue ich sie deshalb bestimmt nicht. Sie versuchen nur, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten – dass man als Bettler in Österreich vermutlich mehr Geld zusammenbekommt als z.B. in Rumänien, liegt buchstäblich auf der Hand. Dass man nicht alleine herkommt, sondern vielleicht zu zweit oder zu dritt, ist auch klar. Denn wer will schon in der Fremde auf sich allein gestellt sein. Was tun? Von der Devise „Sicherheit, Sauberkeit, Ordnung“, wie es rechtsgerichtete Parteien propagieren, halte ich gar nichts.

Umso weniger halte ich es für zielführend, quasi testweise ein Bettelverbot einzuführen und mal zu schauen, was passiert. Wir können uns (schon alleine aus menschenrechtlichen und moralischen Gründen) nicht in unserer kleinen, heilen Welt verkriechen und Leute wegschicken, die nicht ins Stadtbild passen. Kurzfristig zielführender sind hier wohl strukturierte Sozialarbeit sowie genügend Notschlafstellen für Bettler und Obdachlose, egal woher sie sind.

Hier könnte gerade das sich als progressiv und weltoffen präsentierende Innsbruck eine Vorreiterrolle einnehmen, wenn es will. Parallel dazu braucht es länderübergreifende (z.B. durch EU-Programme geförderte) soziale Projekte und Aktivitäten gegen die Armut in der Herkunftsländern der Bettler. Aber solche Programme greifen halt nicht schon morgen, sondern erst über Jahre hinweg und sind sicher nicht so populär wie ein überhastet umgesetztes Bettelverbot.

Im Falle eines von Ihnen „testweise“ geforderten Bettelverbots würde ich es jedenfalls weitaus beängstigender finden, an jeder Ecke anstatt von harmlosen Bettlern eine bewaffnete Polizeistreife anzutreffen.

Mit besten Grüßen

Michael Gams

 

Foto von https://www.facebook.com/bettellobby.wien/photos

Gast

8 Comments

  1. Herr Steinlechner!

    Bis vor kurzem habe ich Ihre Leitartikel gerne, oft amùsiert und nicht selten auch zustimmend gelesen.
    Ihre menschenverachtende , gehàssige, unwissende und so zynische Beschreibung der Bettler“Szene“ in Innsbruck hat mich
    erschùttert, konsterniert und vor allem auch persònlich getroffen. Wenn Sie sich durch die reine Anwesenheit von BITTENDEN Menschen in Ihrem Stadtleben gestòrt bzw. beintràchtigt fùhlen, so sollten Sie die „Schuld“ an diesem Gefùhl nicht bei den Mitmenschen! sondern bei Ihnen selbst suchen. Denn nur Sie allein sind fùr Ihre Erregungszustànde verantwortlich.
    Vielleicht machen Sie sich einmal die Mùhe und sprechen ein paar Worte mit den Objekten Ihres Argernisses und Sie werden erkennen, dass sich dahinter Menschen verbergen mit Schicksalen, die Sie nicht teilen mòchten. Aber ich kònnte mir vorstellen , dass Ihnen zum Blickkontakt der Wille und vor allem der Mut fehlt.

    Eines mòchte ich Ihnen noch mitgeben : “ Die Wahrheit ist den ( auch Innsbrucker ) Menschen zumutbar „, frei nach Ingeborg Bachmann .

    Maria Totschnig „

      • PS: Ich biete demnächst bettelfahrten in die schweiz an; kann der Herr Steinlechner gerne mitkommen. kostet halt.

    • Beobachtung einer erlebten Wahrheit: fescher, junger Mann mit „20er“ in der Hand und dezentm Tattoo am Trizeps unterhält sich mit in Lumpen an der Hausmauer kauernden Bettlerein. Verstanden habe ich nur „Toilette“. Wieviel Fanstasie braucht es bitte?

  2. Vielen Dank Michael und vor allem auch Maria für diese ehrlichen wahren Worte! Herr Steinlechner ich bitte um eine Stellungnahme!

  3. Warum bitte eine Stellungnahme von Hr. Steinlechner? Er hat seine Meinung dazu und fertig. Oder ist das nicht mehr erlaubt?

    P.S.: Ich bin übrigens gegen ein Bettelverbot! Aber auch gegen ein Verbot der freien Meinungsäußerung!

  4. Ein Leserbrief ist doch Ausdruck von freier Meinungsäußerung und natürlich hat auch Herr Steinlechner jedes Recht, seine Meinung frei zu äußern: Es gibt nicht eine unbestreitbare Wahrheit, sondern Ansichten und Überzeugungen: provInnsbruck ist eine Möglichkeit, sich auszutauschen und miteinander zu diskutieren.

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