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Die Toten belasten uns wenigstens nicht

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Die Toten belasten uns wenigstens nicht. Also stimme ich mich auf den Weltuntergang ein und hoffe, dass nicht die Falschen überleben. Erst jetzt ergibt alles einen Sinn. Von dem Tag an, als ich mit fünf Jahren in der Badewanne vergnüglich saß und missverständlicherweise „Heil Hitler“ sang, nachdem meine Eltern einen Dokumentarfilm angesehen hatten, bis zu dem heutigen Tag, an dem ich mal aufgeben muss, mal nicht mehr für mich und meine Sehnsucht nach Menschlichkeit kämpfen kann.

Es gibt nämlich jene Tage, an denen man aufgeben möchte. All die viel größeren und mutigeren und handlungswilligeren Idealisten und das kleine Ich, das doch mal mehr werden wollte, was verändern wollte und sich daran klammert, dass die ganzen „besorgten Bürger“ eigentlich doch gute Menschen sind und nur Angst haben. Sind sie aber nicht. Vielleicht haben meine Eltern daran Schuld, dass ich hoffe. Sie haben mir beigebracht, dankbar zu sein, nicht zu egoistisch zu sein und mit jenen zu teilen, die nicht so viel Glück hatten und das alles, obwohl unsere Familie selbst nie „reich“ war. Meine Eltern haben alles getan, damit es uns gut geht. Dass ich drei Pflegegeschwister habe, war für mich immer normal. Ich sah nie einen besonderen Unterschied zwischen uns. Jede und jeder hatte halt seinen Charakter und je nachdem wurden wir auch behandelt. Eigentlich hätte ich uns nie als „komisch“ gesehen, wenn es mir nicht meine Nachbarn gesagt hätten.

Das war dann wohl das erste Mal, dass ich miterleben musste, wie grausam Menschen sein konnten, als die Nachbarkinder meinen 7-jährigen Bruder darauf aufmerksam machten, dass meine Mutter nicht seine „echte“ Mutter ist, weil diese ihn gar nicht wollte. Bis er endlich groß war und nicht mehr ein Opfer war, wurde er wöchentlich gemobbt, bestohlen und verprügelt. Mal mit Fäusten. Mal mit Steinen. Und das von den Einheimischen unseres Dorfes. So viel zu den gewalttätigen Ausländern… Ich selbst war leider nicht der willensstarke Mensch, der ich heute bin. Ich versuchte mich anzupassen, damit mich nicht das selbe Schicksal ereilte. Also schrieb ich in meine Tagebücher heimlich, dass ich auf diesen süßen Typen stehe, „obwohl er Türke ist“ und hielt meinen Mund, bis ich endlich verstand, dass Anpassung bedeuten würde, dass ich wie der restliche rassistische Abschaum unseres Tales werden würde. Also fing ich an, mich zu informieren, sowohl geschichtlich über Bücher und Dokus, als auch über Nachrichten und Diskussionen mit meinen Eltern. Mir wurde im Gegensatz zu einigen anderen bewusst, dass mein Urgroßvater alles andere war, als ein Mensch, auf den ich stolz sein konnte, sondern ein feiger Nazi. Aber das konnte ich verkraften und so beschäftigte ich mich mit der Gegenwart und fing an über Rassismus zu schreiben und darüber, wie wir uns entwickeln müssen, damit das besser wird, was jetzt schlecht ist.

Seitdem konnte ich nicht mehr aufhören über das Schlechte zu schreiben. Nicht weil ich negativ fokussiert bin und masochistisch, sondern, weil das Schlechte seit jeher unmenschlicher wurde und selbst das Gute schlecht. Und mein Verständnis für jede Handlung und jede Aussage, die rechts ist und nichts mehr mit Nationalstolz und Heimatschutz zu tun hat, sondern lediglich mit Ausländerhass und dem Ausgrenzen von allen, die wir nicht als „Wir“ zählen, ist am Ende. Wir werden lieber immer rechter und unmenschlicher und wollen Menschen sagen, dass es gscheider ist, in unsicheren und gefährlichen Regionen zu bleiben, statt nach Österreich zu kommen, damit wir nicht in die Lage kommen, anderen Menschen helfen zu müssen. Statt dass wir die Möglichkeit eröffnen, legale Fluchtwege zu nutzen, für all jene, die verfolgt werden, lassen wir lieber Kinder im Mittelmeer ertrinken, und erbauen Zäune, damit wenigstens die, die tot sind, uns nicht mehr „belasten“.

Wir werden immer (un)rechter und die, die einst rot und schwarz waren, werden immer mehr blau. Demokratie 2.0: Wir stehen für das eine und machen das andere. Aber nennen wir es nicht Ausgrenzung und Mord, sondern lieber Türl und Richtwert. Von denen, die Angst vor allen AsylwerberInnen, Flüchtlingen und MigrantInnen (nicht das jene die Unterscheidung kennen würden) haben und noch nicht mal rechnen können, damit sie verstehen können, dass diese sogar ziemlich wenig kriminell sind, möcht ich erst gar nicht anfangen.

Denn heute habt ihr es geschafft, dass ich mal wieder befürchten muss, dass gar nichts mehr besser und ihr nur noch schlechter werdet und uns alle mit hinunter reißt. Heute bin ich mir nicht mal mehr sicher, was schlimmer ist: das was ihr macht und sagt, oder dass ihr wirklich denkt, dass das das Richtige ist. Und ich freu mich darauf, mal ein Jahr auf Weltreise und von euch weg zu sein. Gar nicht, weil ich euch so sehr hasse, sondern vor allem deswegen, weil ich wieder erkennen will, was gut ist an diesen Menschen und an diesem Land, abgesehen von seinem Reichtum. Ich würde mir wünschen, dass ihr gar nicht diejenigen seid, die ihr vorgebt zu sein, sondern dass ihr eigentlich wirklich nur ängstlich seid und irgendwann aufhört, Nazis zu sein.

RAFAELA SCHINDLEGGER

Gast

One Comment

  1. Wir wollen uns am Montag, den 07.03., um 18:00 am Landhausplatz treffen,
    um gegen die aktuelle Flüchtlingspolitik in Europa zu protestieren und
    um rechten Umtrieben in Innsbruck Einhalt zu gebieten.

    Wir wollen für eine Gesellschaft einstehen, in der nicht Flüchtlinge,
    sondern Fluchtursachen als Problem gesehen und bekämpft werden.

    Wir begreifen die Einwanderungsthematik als Teil der Sozialen Frage und
    wollen menschenfeindlichen rechten und rechtsextremen
    „Lösungsvorschlägen“ nicht das Feld überlassen.

    Je deutlicher wir Präsenz zeigen, desto mehr nehmen wir rechten
    Grüppchen den öffentlichen Raum!

    Wir fordern:

    >>Bekämpfung von Fluchtursachen, nicht von Flüchtenden!

    >>Einführung einer zivilen Seenotrettungsmission!

    >>Kein Zäune in und um Europa!

    >>Menschenwürdige Unterbringung und Behandlung entlang der Fluchtrouten
    und am Ankunftsort!

    >>Abschiebungen stoppen!

    >>Arbeitsmarktzugang für Asylwerbende!

    >>Keine Kürzung von Sozialleistungen!

    >>Solidarität mit allen Menschen, die sich auf der Flucht befinden!

    SAY IT LOUD AND SAY IT CLEAR: REFUGEES ARE WELCOME HERE!

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