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Die Sprache der Dinge

Nur noch diese Woche läuft in der Galerie im Taxispalais eine Ausstellung der kanadischen Künstlerin Jana Sterbak, die ich den provinnsbruck-Leser/innen noch sehr ans Herz legen möchte. Geht es darin doch um eine Art Materialität der Dinge,  künstlerisch gestaltete Artefakte,  kunstvoll angefertigte Gegenstände wie etwa Glaskugeln, oder verschiedene ineinandergeschobene Glasgefäße wie in der Arbeit  Hard Entry Y genannt.  Neun mundgeblasene Schalen aus Glas, die alle ineinandergesteckt sind. Laut Ausstellungsbegleitheft vom Essgeschirr buddhistischer Mönchen inspiriert ist,  und einen beinahe magischen Sog auf mich ausgeübt haben. Vielleicht auch nur, weil sie mich an jene Uhrspiralen erinnert haben, vor denen ich als Kind eine undefinierbare  Angst hatte, vielleicht wegen ihres plötzlichen Herausschnellens aus einem Spielzeugauto oder einem alten Uhrwerk, dass ich gerade neugierig zu zerlegen begonnen hatte. Dabei sind es „nur eng ineinander geschobene Gläser, die man gar nicht einzeln herausnehmen könnte, wie die Führerin mal erklärte, und sie strahlen eine Ruhe aus, die einen in den Bann zieht, zumindest mich hat dieses Ausstellungsstück in Bann gezogen.

Ebenso fasziniert war ich von The Dress, einem mit Stromdrähten besetzten Stahlgeflecht, das, sobald man sich ihm nähert, magisch zu glühen beginnt. Es soll an Medea erinnern, jene Sagenfigur aus der griechischen Mythologie, die ihrer Rivalin ein vergiftetes Kleid zukommen ließ, dass die Haut derselben, sobald sie es anzog, verbrannte. Das Aufglühen der Drähte erfüllt einen mit Respekt, sich dem Objekt nicht zu nähern, Respekt vor der Macht? Auch noch in diesen Zeiten? Ebenso auch Hot Crown, ein metallener Ständer mit einer Krone, die ebenfalls stromdurchflossen ist, sobald sich die Besucherin / der Besucher nähert. In einer anderen Ecke des Galerieraumes zwei überdimensionale Krücken, wie für einen Riesen gemacht oder für einen gestiefelten Kater.

Schön finde ich auch die schon an Eingang kurz erwähnten Glaskugeln. Alle mundgeblasen, und jede individuell geformt, an Planeten erinnernd, wobei man bei  manchen vielleicht den Eindruck bekommen könnte, es seien Gesichter, die einen ansehen.

Symbolträchtig fand ich auch den menschengroßen Käfig – Sisyphus III benannt – in den sich eine erwachsene Person hineinstellen könnte und sich so ständig bewegen muss, um nicht umzufallen, wie das im gleichen Raum laufende Video zeigt. Statt des Steines, den Sisyphos immer wieder nach oben tragen muss, ist es hier die eigene Last, die bei Ruhe zum Verhängnis werden kann.

Auch mit den Geschlechterrollen und Stereotypen spielt die Künstlerin auf eine bewusst ironische Weise. Wenn sie etwa ein Hemd mit aufgeklebten männlichen Brusthaaren gestaltet und dieses bei einer Performance von einer Frau tragen lässt, daneben eine Jacke mit zugenähten Ärmeln, wie eine Zwangsjacke. Die Performance bestand darin, dass die beiden Performer in einem Restaurant saßen und die in der Zwangsjacke von der anderen gefüttert werden musste. So wohl ein ungleiches Paar abgebend. Leider gibt es keinen Film von dieser Performance, zumindest ist er in der Galerie nicht zusehen. Wäre interessant gewesen, wie das Publikum darauf reagiert hat.

Die Künstlerin, geboren 1955 in Prag und in Montreal lebend und bereits in vielen Ausstellungen weltweit vertreten, könnte man der Konzeptkunst als auch der Feministischen Kunst zurechnen, für mich haben ihre Arbeiten auch etwas surreales, vielleicht postsurreales. Es geht darin vorwiegend um Konflikte, die meistens durch gesellschaftliche Regelverletzungen entstehen oder dem Hinterfragen von gesellschaftlichen Tabus. Oft scheint mir aber auch der Spielerische Aspekt ihrer Kunst im Vordergrund zu stehen. Etwa in der Konstruktion von an sich sinnlosen technischen Geräten und Fortbewegungsmitteln, wie es etwa Remote Controll II ausdrückt. Ein motorisierter überdimensionaler Reifrock auf Rädern mit Fernbedienung. Das sowohl Gefangenheit als auch selbstbestimmtes Fahrzeug sein kann.

Sehr schräg fand ich auch den Chair Apollinaire, einen in der Art eines Wohnzimmerfauteuils gestalteten Stuhl der anstatt der Polsterung mit vernähten Fleischstücken drapiert ist. Wer würde sich da schon draufzusetzen trauen? Auch wenn das Galerieteam das erlauben würde. Auch ein Bettgestell, ausgelegt mit Brot – Bread Bed genannt – hat da was ganz Spezielles: Brot, auf dem ich liege, vielleicht sogar Liebe mache. Was für eine Verschwendung, wird vielleicht mancher denken. Bei Sterbak steht das Brot-Bett für die menschlichen Grundbedürfnisse – angeregt wurde die Künstlerin dabei von einem Aufenthalt bei den amerikanischen Shakern, einer amerikanischen Freikirche. Aber gehört nicht auch Liebe zu den menschlichen Grundbedürfnissen? Und der Stuhl aus Fleisch, ist er nicht Erinnerung an das menschliche Liebesobjekt, an das wir uns anlehnen, hineinlehnen oder eben vielleicht sogar setzen und es aufnehmen? Und im Glas – dem Container for Olfactory Porträt – das den menschlichen Geruch aufnehmen soll, den Geruch der Geliebten oder des Geliebten – in Wirklichkeit enthält der Glasbehälter nichts und könnte mit der vom künftigen Besitzer gewählten (Körper?)Flüssigkeit befüllt werden.

Kugeln sehen dich an. Menschliche Haare zeigen dir den Weg, stromgeladene Spannungsdrähte lassen dich erstarren. Gefrorene Stühle – in der Ausstellung in Fotos dokumentiert – schmelzen unter deinem Hintern weg. Und ein aus dem Tiroler Volkskundemuseum entliehener Handtuchhalter lädt dich mit seinem Vanitas-Symbol – der Kopf einer jungen Frau ist zur Hälfte skelettiert – dazu ein, über dein Leben nachzudenken.

Was würde darauf besser als Antwort passen als das Voltaire zugeschriebene Zitat „Ich habe beschlossen, glücklich zu sein, weil es besser für die Gesundheit ist“. Jana Sterbak hat es als Stickereimuster gestaltet, im Stil wie man im 19. und noch im frühen 20. Jahrhundert diverse Sprüche auf leinene Wandbehänge  gestickt hat, so wie ich sie etwa auch noch bei meiner Großmutter sehen konnte.  Wie Recht Voltaire damit doch hatte!

Noch bis 12. Febraur 2017.

Katalogpräsentation
Donnerstag, 9. Februar 2017, 19 Uhr

Helmut Schiestl

2 Comments

  1. Statt einer Politik des Urspungs und des Inhalts, wie etwa dem Nationalstaat, der Kultur, dem Volksgeist oder der Nationalsprache – plädiert Benjamin für eine Politik der Form. Wenn wir diese Entgegensetzung auf zeitgenössischere Debatten projezieren wollten, könnten wir auch sagen, dass Übersetzung zwischen jenen verschiedenen Sphären stattfinden kann, die als Macht und Herrschaft bezeichnet werden – oder auch pompöser als potentia und potestas.

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