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Der Virus, dessen Name keiner mehr hören kann

Ja, wir durchleben seit Monaten eine seltsame Zeit. Plötzlich war dieser Virus da und hat unser aller Leben auf den Kopf gestellt.
Was ursprünglich danach aussah, als ob man die Sache durchaus in den Griff bekommen könnte, entwickelte sich in den letzten Monaten zu einem Perpetuum mobile. Wir erleben eine Endlosschleife der immer gleichen Nachrichten, der gleichen Gesichter, der immer gleichen Durchhalteparolen, des ständigen Wiederholens… Wir werden tagtäglich mit neuen „Erkenntnissen“, neuen Theorien, Strategien usw. bombardiert.
Ich kann es zum Teil nicht mehr hören und doch ist jeder Tag vom Thema Nummer 1 geprägt.
Mein Stimmungstiefpunkt war bei Schulbeginn im September erreicht, als ich statt dem üblichen Geplapper der Kinder nach den Ferien im Bus nichts von Urlaub, Klassentratsch, Wer-mit-Wem und „schlimmen“ Lehrern hörte, sondern nur Infektionsschienen, vorgeschriebene Maßnahmen und Masken thematisiert wurden. Hallo? Ist das noch Kindsein?
Das bringt jemanden durchaus nochmals zum Grübeln und man denkt darüber nach, ob uns diese Zeit vielleicht zumindest etwas lehren kann.
Wir haben sicher alle festgestellt, wie wichtig uns soziale Kontakte sind, wie sehr wir uns nach einer Umarmung unter Freunden, einem liebevollen Schulterklopfer, einem unbeschwerten Zusammensein, einem kleinen Kuss sehnen.
Aktuell scheint es immer unmöglicher, das Ende der Restriktionen abwarten zu können, dass die uns bekannte Normalität zurückkehrt und unsere liebgewonnenen Angewohnheiten endlich wieder Teil unseres Lebens werden.
Wir hungern danach, unser Menschsein leben zu können und selbst die Duldsamsten unter uns gelangen zusehends an das Ende ihrer Akzeptanz.
Ich habe mittlerweile Angst vor einer Verarmung der Menschen in ihrer Entwicklung und ihrem Menschsein.
Ich habe Bedenken, welche psychischen Schäden als Folge dieser Pandemie auf uns zukommen.
Ich sehe eine Generation von Kindern und Jugendlichen, die in ihrer Bildung und Entwicklung gehemmt werden und die nun entstehenden Rückstände unter Umständen nie mehr richtig ausgleichen können.
Ich sehe meine Freunde im Kulturbetrieb, die entweder gar nicht oder nur unter massiv erschwerten Bedingungen arbeiten können.
Ich nehme die Verzweiflung der arbeitslos gewordenen Menschen und die Unsicherheit derer die glücklicherweise noch Arbeit haben wahr.

Vielleicht sehen ja manche Menschen in dieser Krise ein, dass Empathie, Rücksichtnahme, menschliche Nähe und soziale Gerechtigkeit ein höheres Gut darstellen als übermäßiger Konsum und das stete Streben nach dem persönlichen Maximum.
Doch wenn die Auslebung sozialer Werte und Gewohnheiten unterbunden wird, steigt auch das Risiko, dass sich unsere Menschlichkeit (ja, ich glaube tatsächlich, das der Großteil von uns gute Absichten vertritt) irgendwann ins Gegenteil verkehrt und je länger diese unsägliche Zeit andauert Egoismus an die erste Stelle tritt.

Ist das die Welt, in der wir zukünftig leben wollen, ist das der Weg, den Kinder und Jugendliche sehen sollen?
Was kann man tun, um der sich schön langsam immer schneller drehenden Abwärtsspirale entgegenzuwirken?
Können wir in all dieser Negativität trotzdem das Licht am Ende des Tunnels erblicken?

Vielleicht ist das In-sich-selbst-hineinhören ein erster Schritt und dann versuchen wir in kleinen Schritten jeden Tag etwas Positives in unserem Leben zu finden, sodass wir in all dieser Trübseligkeit in unserem Menschsein nicht verkümmern.

Alles Liebe

Euer Plaudertäschchen

Gast

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