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Der Fasching und die Kunst

Der Fasching war in Innsbruck auch schon mal lustiger. Heute, am Faschingsdienstag konnte man, wenn man durch die Innenstadt ging, kaum maskierte Menschen sehen, außer ein paar Kinder und ein paar Unentwegte vielleicht. Wobei ich zugebe, die Altstadt gar nicht erst betreten zu haben, die Kontrollrituale genügen mir schon zu Silvester und nachher denkt man dann, dass man eh nicht viel versäumt hätte, wenn man draußen geblieben wäre.

Ja ganz konkret hat mich der heurige Innsbrucker Fasching  an meine Kindheit und frühe Jugend erinnert, wo dieser  hierzulande auch kaum zu bemerken war. Sind die Tiroler/innen  doch auch nicht wirklich ein Karneval-affine Menschen, so wie es vielleicht die uns benachbarten Kärntner/innen sind, dessen Villacher Karneval man ja schon in den späten sechziger Jahren im Fernsehen  verfolgen konnte. Dachte ich noch: gehst halt in irgendeine Institution oder ein Geschäft, und es wird Fasching gefeiert. Aber die hatten alle vorsorglich geschlossen, und die, die geöffnet hatten, mussten dann ja auch arbeiten, und da macht es dann wohl auch keinen Spaß, die Närrin oder den Narren heraushängen zu lassen. Wahrscheinlich schlugen die Innsbrucker Faschingsnarren in den letzten Jahren so über die Stränge, so dass am Ende alles in einer sexistischen Gewaltorgie ausartete, so dass man sich schon vor einigen Jahren entschlossen hat, den Innsbrucker Fasching langsam sterben zu lassen. Mir soll es gleich sein. Ich hielt sowieso nie viel von dieser auf einen Tag im Jahr reduzierten verordneten Fröhlichkeit, und touristisch ließ sich das Innsbrucker Narrentreiben wohl auch nie richtig vermarkten, im Gegensatz etwa zum Christkindlmarkt und ähnlicher jedes Jahr wiederkehrender Festivitäten.  So bleibt eben nur die Kunst, und die ist in den Augen vieler ja immer Narretei, auch wenn sie natürlich für diejenigen, die bereit sind, sich auf sie einzulassen, genau das nicht ist oder es zumindest nicht sein will, und wenn sie es doch manchmal ist, dann gibt sie zumindest Anlass für Diskussionen und Debatten. Und wenn sie das auch nicht mehr schafft, ja dann …

Die etwas unauffällige U-Bahn-Station  am Boznerplatz wäre vielleicht in den schon erwähnten sechziger und siebziger Jahren auch noch als Faschingsscherz durchgegangen. Allerdings handelt es sich dabei um eine Kunstinstallation mit dem etwas vielversprechenden Titel METRO Vom Bozner Platz durch Tirol nach Innsbruck. Immerhin kann man mit der nicht vorhandenen U-Bahn von St. Christoph am Arlberg über Innsbruck bis nach Fieberbrunn fahren, und wenn es einem das Sitzfleisch erlaubt, sogar bis Syros. Da soll noch einer sagen, Innsbruck wäre keine Weltstadt. Für ein Selfi mag das eingezäunte und so wohl noch etwas geheimnisvoller aussehende U-Bahnschild immer noch gute Dienste leisten. Dass es sich dabei um Kunst im Öffentlichen Raum handelt, erkennt man wohl erst auf den zweiten Blick, aber das ist ja vielleicht auch der Sinn dieses Projektes. Denkt nach, seht euch um und stellt euch Fragen, etwa die nach dem Sinn einer U-Bahn für Innsbruck. So etwas wurde ja vor einigen Jahren schon mal in einem Projekt der Höheren Technischen Lehranstalt angedacht. Und die Busse sind ja in letzter Zeit fast zu allen Tageszeiten schon sehr voll. Also warum nicht gleich statt einer Straßenbahn, die nach einigen Jahren vielleicht auch schon wieder an ihre Kapazitätsgrenzen stoßt, eine U-Bahn. Schließlich wächst Innsbruck ja von Tag zu Tag, also warum nicht klotzen statt kleckern.

Nicht unerwähnt sollte auch bleiben, dass diese Kunstintervention auf eine Idee des 1997 verstorbenen Deutschen Künstlers Martin Kippenberger zurückgeht, der mit seinem umtriebigen Schaffen auch in Tirol Station gemacht hat. Hat dieser doch ein imaginäres U-Bahn-Netz entworfen, das sämtliche Orte der Welt verbunden hätte. Und wenn man sich der Station nahe genug ist, kann man sogar Geräusche einer echten U-Bahn-Station hören, es sind die von der realen U-Bahn-Station Innsbrucker Platz in Berlin. Merke: Die Welt ist klein, und Rettung lauert überall!

Und weil morgen Aschermittwoch ist, sei gleich noch auf eine spannende und wohl alle Sinne ansprechende Installation hingewiesen: In der Neuen Galerie der Tiroler Künstlerschaft hat die Wiener Künstlerin Catrin Bolt unter dem verheißungsvollen Titel Analgeburt ein Labyrinth – welches man ursprünglich als „Analgeburt“ bezeichnet hatte – angelegt, welches zu begehen einem an den Gang durch die eigene Lebensmühe – der Gang durch den Geburtskanal – an dem man sich wahrscheinlich nicht mehr wird erinnern können, oder – für den morgigen Aschermittwoch  vielleicht gerade gut geeignet – als einen stimmungsvollen Gang durch sich selbst, oder aber auch einfach nur als ein reizvolles und ungewohntes Erkunden eines Galerieraumes verbuchen kann. Dabei geht es der Künstlerin um das Thema Panorama, ein Thema, das ja in der Kunst der letzten hundert Jahre in vielfältigster Weise thematisiert und bearbeitet wurde. Im Gegensatz aber zu den gemalten, fotografierten oder auch gefilmten Panoramen – man denke etwa nur an das täglich im Fernsehen gesendete Wetterpanoramen, welche uns die Welt 360° ins Haus liefert – oder uns eine längst vergangene Welt wieder ins Bewusstsein rufen wie etwa das vor einigen Jahren auf den Bergisel transferierte Bergisel-Panorama, ist es bei Catrin Bolt ein weißer enger Gang, der die Besucherin, den Besucher durch den ganzen Galerieraum führt, und dabei lediglich durch Fensterausblicke und mit einem Landschaftsvideo aufgelockert wird. Es ist etwas Ungewöhnliches, aber es macht auch Spaß, auch wenn es vielleicht ein wenig Nervenkribbeln verursacht, obwohl natürlich keine Gefahr droht. Kurz: es ist eine schöne Metapher für das wirkliche Leben. So habe ich es zumindest gesehen.

Also vergesst die Narretei, in ein paar Stunden ist sie ja sowieso wieder für ein Jahr vorbei, und versenkt euch in die Kunst, auch sie ist Spiel und – manchmal zumindest – auch Anlass für ein kritisches Hinterfragen unserer Alltagswahrnehmungen und Gewohnheiten, wobei auch gelacht werden darf.

Helmut Schiestl

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