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AUS DER CLOUD GESCHIFFT: Pitschi-Poller

Pitschi-Poller

Noch in der Dunkelheit machen wir Werktätigen vom Mitterweg uns auf, um etwas zu verrichten. Wir sind alle gut ausgeschlafen, weil unser Schlaf am Nuttensteig von Videokameras und Streifen lückenlos überwacht ist.

Jetzt kommt wie jeden Tag auf die Sekunde genau der „R“, dessen Lenkerin ebenfalls ausgeschlafen und fit ist. Wir drängen uns zu zehnt oder zwölft um sie, nicht um sie von der Arbeit abzuhalten, sondern um uns mit ihr zu solidarisieren.

Wir nähern uns nämlich bereits in der Früh dem Höhepunkt des Tages: Da steht er, der berühmte Pitschi-Poller!

Schon wenn wir in den Fürstenweg einbiegen, zittern wir, ob unser Lebenssinn die Nacht unbeschadet überdauert hat. Oft in den vergangenen zwei Jahren nämlich hat jemand im Sekundenschlaf den Poller gerammt und ramponiert. Diese pollerlosen Tage fürchten wir Werktätigen im Bus, weil man uns die Aussicht auf Lebenssinn nimmt, wenn der Poller weg ist.

Wir erinnern uns noch an die schöne Eröffnungsfeier, wo Pitschi in Verkleidung eines politischen Pollers den Verkehrs-Poller für die Presse versenkt hat, um ihn dann wieder hochzufahren.

Wir haben schon überlegt, ob wir nicht ihr Gesicht auf den Poller malen sollen, es wäre sicher auffälliger als das rot-weiß-rote Gemurkse, das manche für eine Fahne halten, die man niederfahren muss.
Jetzt sind wir ganz knapp am Poller und die Lenkerin versenkt ihn und wir fahren in Euphorie drüber. Jetzt erst nehmen wir die Sitzplätze im Bus ein, manche steigen auf der Uni aus, wo gute Forschungen stattfinden. Ein heißes Thema ist auch an der Uni das Thema „Kulturgut Poller“.

Helmuth Schönauer

mitterweg ausweglos

Der Mitterweg ist ausweglos
Poem vom Rand der Stadt
erschienen im Kyrene Verlag

Gast

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