4

Am Markt. Eine Platzbeschimpfung

marktplatz

 

 

 

 

 

 

Sie werden kein Konzert hören.

Ihre Neugier wird nicht befriedigt werden.

Sie werden nichts hören. Kein Schauspiel. Es wird nicht gespielt.

Hier wird nur gelesen.

Marktplatz. Wie satt ich Dich habe! Deine Asphaltwüste, Deine unansehnlichen Kamine aus rostfreiem Edelstahl und all die öde Trostlosigkeit. Kalt, leblos und leer. Einst, vor meiner Zeit, warst Du Treffpunkt, Handelsplatz und Nahversorger, Geburtsstätte von interessanten Gesprächen und lebenslangen Liebesbeziehungen. Die jungen Mädchen sind hin- und hergelaufen auf Deinem Areal, die Buben haben fremden Müttern so tief in die Taschen gelangt, dass die Münzen nur so geklimpert haben. Obst- und Gemüsekörbe, prall gefüllt mit allem, was uns die Natur bietet, haben Dein Geviert koloriert.

Das leise Rauschen des Inns und der freundliche Gruß der Häuserzeilen gegenüber haben Dich erst zu jenem Kleinod gemacht, das jeder, der Dich betrat, zu schätzen wusste. Eine Schlüsselfigur warst Du und vielbesuchter, frequentierter Schauplatz des Geschehens inmitten unserer Stadt. Welch traurige Gestalt gibst Du heute ab? Schau an, was aus Dir geworden ist, was sie aus Dir gemacht haben, die Bürger und die Verwaltung dieser Stadt. Du bist nichts als ein Dachdeckel, eine in ihrer Bedeutung entwertete Zufahrtsrampe einer Garage, austauschbare Bühne für beliebige Ereignisse und touristische Belustigung, nur noch ein Schatten Deiner selbst.

Nur still kannst Du ertragen, wenn sie jetzt wieder mit Baumaschinen über Dich hinwegfegen und in Deinen Eingeweiden wühlen. Leicht machst Du es uns allen damit nicht, schließlich müssen wir Deinen Anblick und Deine schweigsame Traurigkeit ebenso ertragen. Tag für Tag, wenn wir an Dir vorüberziehen.

Was könntest Du nicht alles sein, voll Anmut und Grazie? Aber nein, Du wolltest es anders, wolltest etwas Neues sein, etwas, das den politisch vorgezeichneten Abgesang nicht erkannt, sondern ihm widerstandslos zugestimmt hat. Kein bisschen hast Du dich gewehrt, hast jegliche Diskussion über eine annehmbare Gestaltung Deiner selbst im Keim erstickt, hast sie einfach machen lassen.

Und nun? Ist es das, was Du gewollt hast. Für Dich? Für uns? Bist Du das, was wir brauchen als Stadt, haben wir diese Hässlichkeit, nichts als pure Hässlichkeit verdient? Sei Dir versichert, keiner wird Dich je mehr lieben in dieser Form, keiner wird Dich besingen, Dir Gedichte widmen oder poetische Gedanken oder Dich wegen der angeblich immensen Multifunktionalität in irgendwelchen Tönen loben. Man sollte Dich an den Stadtrand verbannen oder Dich in ein Gewerbegebiet zwangsumsiedeln, so lange, bis Du zur Einsicht kommst und bereit bist, Deine frühere Schönheit und Deine Lebendigkeit wieder zu erlangen.

J. Alexander

Gast

4 Comments

  1. …ein wirklich wunderbarer komentar, alexander, du solltest poet sein….. im herzen innsbrucks, der treffpunkt aller, was wird aus dir?

  2. Oh, nur keine Sorge, noch ist es lange nicht genug, mit dem verschandeln. Man will uns wohl den Marktplatz austreiben, so grausig machen, dass wir uns sogar freuen, wenn irgendwas, das viel Geld bringt, hingeklotzt wird. Markt, aber ordentlich ! Denn das New Orleans – Festival,bei dem sich die zwei Schwesternstädte so schön verschwestern, mit bunter Fassadengirlande und herrlichem Bergkranz, und unserem guten alten Alpen – Missisippi, dem Inn – also, dieses Festival der Töne, der Sinne…soll nun fortan sich in der Betonwüstedes Landhausplatzes abspielen – WEIL DA MEHR PLATZ ist. Mehr Geld. Mehr Gier.Mehr BIER. Und nächstes Jahr, meine Damen und Herren, werden wir vielleicht wieder hier sein,unsere Rechenmaschinen glühen schon heiß, auf diesem wunderschönen Betonplatz, vor der getragenen Architektur des Neuen Landhauses ( lassen wir das lieber, welche Architektur das eigentlich ist), umgeben von den hässlichsten Bauten der Tiroler Baugeschichte, auf einem EXERZIERPLATZ, Befreiungsdenkmal und 45 Grad Hitze in no Schatten ( da rinnt das Bier)ja, wir rechnen schon nach und dann machen wir das (ein)mal so……….Applaus! Applaus! Ja, lieber Marktplatz, man gönnt sich einfach nicht den Luxus, dich zu haben…..alles, was nicht gemolken werden kann, wird schon noch dazu gebracht werden. New Orleans auf dem Exerzierplatz, und auf dem einzigen Sonnenterrain, da muss doch sicher flächendeckend Gastronomie hin, mit Sonnenaufschlag! Oder etwa nicht? Nur, lieber Marktplatz, dafür kannst du nun aber wirklich nichts! Das alles wird dir angetan, weil man das Wort “ Markt“ nicht näher beleuchtet hat, weil das ja auch niemanden interessiert. Kultur, wo kämen wir da hin? Kann man Kultur melken, weil dann natürlich: Ja! Obwohl wir das eigentlich gar nicht nötig hätten. Innsbruck wäre in der Lage, sich in der Mitte der Stadt einen Marktplatz zu leisten, auf dem es “ einen Markt“ gibt.Manchmal auch einfach, keinen Markt. Nur einen Blick rundherum auf alles, was einer der schönsten Städte dieser Welt das Bühnenbild ….eben BILDET.

  3. Ich mag den Text. Wieso kann man nicht einfach den Platz ein bisschen herrichten? Ein anderer Bodenbelag, Pflastersteine, ein paar Bänke, ein paar Bäume. Oder man macht hier wieder einen Obst- und Gemüsemarkt, das ist es doch, was hier offensichtlich am meisten abgeht. Von der benachbarten Markthalle wäre es ja nicht weit. Und warum nicht beides haben als Stadt? Nur mal so als Vorschlag.

  4. ja michael, da schließ ich mich an. der marktplatz sollte ein echter marktplatz sein, gemüse und obst. find ich auch. und dass ibk schwester von new orleans ist, ist fast peinlich, wenn man new orleans schon einmal erlebt hat. musik musik musik überall musik. gute musik. jeder darf spielen. und hier? nein, peinlich ist das. als schwesternstadt. und dann das festival auf dem exerzierplatz. da haben einige einiges nicht verstanden…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert